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Fanpost

 

München, 12.02.2004

Lieber Herr M.,

anbei wie versprochen die Aufnahme meiner Symphonie. Vielleicht kann ich Ihnen das Zuhören etwas erleichtern, indem ich meine Eindrücke aus dieser Musik kurz beschreibe. Das Ganze ist aufgebaut nach dem Muster von Berlioz' Symphonie fantastique; es gibt da ein musikalisches "Subjekt" (es ist die Melodie, die ziemlich am Anfang von den tiefen Unisono-Hörnern gespielt wird), das durch verschiedene Situationen und Stimmungen geführt wird. Bei Berlioz stellt die Idée fixe die Vision seiner Geliebten dar, bei mir ist es eher eine autobiographische Darstellung subjektiver Reflexion und gleichzeitig das wiederholte Erscheinen oder Auftauchen einer gewissen Konstante im fließenden Strom der Zeit. Der erste Satz kommt mir vor, als würde er die Stimmung Gottes vor der Schöpfung beschreiben wollen, sein Ahnen des Unheils, sein Hoffen aufs Gelingen. Es ist aber auch ein leiser Spott in Richtung meines Lieblings Gustav Mahler vorhanden, quasi - da siehst Du, Gustl, was aus der Musik am Ende geworden ist . . . Der zweite Satz ist eine Darstellung des Kampfes (des Kampfes ums Überleben, des Kampfes mit der eigenen Angst, des Kampfes um Wahrheit - wie man will). Der dritte Satz ist ein Lied der Sehnsucht (und ein großes Versöhnen mit Gustl M. selig). Der vierte Satz beschreibt so etwas wie einen Aufbruch: wohin? Keine Ahnung!
Das merkwürdige an der "aleatorischen Etüde" Hora ultima (diesen Titel übersetze ich mit Abschiedsstunde) ist, dass ich sie etwa vier Wochen vor dem 11. September 2001 aufgenommen habe. Wohl eine visionäre Vorahnung. Das Ende der Welt ist nicht mehr weit . . . (Aleatorik ist eine kompositorische Richtung, in der der Zufall eine sehr große Rolle spielt. In meinem Fall spielten die Musiker die von mir aufgeschriebenen Notenfragmente nach meinen Hinweisen, losgelöst also von einem einheitlichen, verbindenden Rhythmus. Ich finde das Ergebnis bis heute spannend.)
Larghetto fatale ist im Grunde eine recht konsequente barocke Passacaglia, also ein polyphones Stück, dass auf ständigem Wiederholen einer Bassfigur fußt. Bei mir wiederholt sich die Harmoniefolge auch gleich mit, insgesamt dreizehn Mal. Dann folgt eine ausgedehnte Coda.
Herzliche Grüße aus München

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