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Geleitwort zur Premiere der Sonate für vier Fagotte

 

[Original in Tschechisch, übersetzt von KŘ; die Premiere fand am 28.11.2000 in Proßnitz statt.]

Die gegen Ende des 17. Jahrhunderts verbreitete einfache musikalische Form, genannt Sonata da camera, diente mir als Ausgangspunkt für die "Sonate für vier Fagotte". Drei thematisch nicht zusammenhängende Sätze in der Reihenfolge schnell-langsam-schnell haben nur einen Zweck: sonare, klingen.

Ich schrieb diese ungefähr viertelstündige Komposition während zwei inspirierter Vormittagsstunden am zweitem Januar dieses Jahres. Beim Komponieren zerbrach ich mir naturgemäß mit dieser Musik den Kopf nicht übermäßig (was wäre, wenn ich damit meine Muse beleidigte?!): ich schrieb alles genauso auf, wie es aus meinem Kopf "schwärmte".

Wenn ich freilich heute, also mit dem Abstand fast eines Jahres, die Partitur wieder lese, dann muss ich gestehen, dass ich da eine recht merkwürdige Musik geschrieben habe. Mit ihrer Erläuterung habe ich selbst etwas Schwierigkeiten.

Der erste Satz (bei dem ich mich an die wunderbare, durch Jazz und Barockmusik beeinflusste Klaviersonate von Igor Strawinskij aus dem Jahr 1924 erinnerte) gebärdet sich zunächst tatsächlich als irgendeine "richtige" Sonate: es gibt ein Haupt- und ein Nebenthema, das sogar aus dem letzten Motiv des Hauptthemas gebildet ist, und zunächst sieht es so aus, als würde die thematische und motivische Arbeit den seit Jahrhunderten breitgetretenen Pfaden der geläufigen kompositorischen Technik folgen. Doch es kommt anders. Beide Themen, die in verschiedenen Stimmen immer wieder auftauchen in einer beinahe Rondo-ähnlichen Art, fangen im Laufe der Zeit an, sich zu zersetzen, zu zerfallen, sich in Atome aufzulösen . . . Stellte ich vielleicht dem eigenen Bewusstsein, dessen Dimension möglicher Wahrnehmung und Konzentration auf das Format der üblichen Fernsehreklame reduziert wurde, einen Spiegel hin? Möglich . . .

Der zweite Satz sind irgendwelche pathetische Verwandlungen der Akkorde, Verschiebungen ihrer musikalischen Bedeutungen und Zusammenhänge durch polyphones Geflecht der Stimmen. Es sind für mich sehr spannende fünf Minuten - besonders deshalb, weil ich selber neugierig bin, wohin diese etwas wehmütige Stimmung der dissonanten melodischen Durchgänge führen mag. Zur Versöhnung? Oder zum Schmerz einer Frage ohne Antwort?

Der dritte Satz ist eine Art Marsch, dessen etwas verstörte Motorik eine Rekapitulation dessen versucht, wie denn der kommunistische Marsch in eine hellere Zukunft endete . . . Jaroslav Ježek* verwendete gerne solche bitonalen Märsche als Schlusssätze seiner ernsten Kompositionen; vermutlich ahnte er schon ein paar Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, dass die Menschheit der unfreudigen Zeit der weiteren Großen Märsche nicht entkommen wird. Diese Epoche ist nun, gottlob, hinter uns; das erzwungene Marschieren wurde freilich durch erhebliches Chaos, durch Hinken und wilde Scharmützel ersetzt. Oder täusche ich mich da vielleicht?

Ich bin mir jedenfalls bewusst, dass der heutige Komponist nur noch Musik (pardon: Soundevents!) für zwei Millionen Mobiltelefone schreiben sollte. Ich gestehe aber, dass ich erstens kein einziges Mobiltelefon zum persönlichen Glück brauche, und zweitens, dass mich syntaxlose Klangereignisse unendlich langweilen. Ich komponiere deshalb lieber Musik, die auf einer heute schon sehr unmodernen ästhetischen Philosophie beruht. Ich hoffe, dass mir die geschätzte Hörerschaft diese Schwäche wohlwollend verzeihen kann . . .

* Jaroslav Ježek = das tschechische Pendant zu George Gershwin

Aufnahme der Sonate für vier Fagotte mit "Fagotti brunenses" erhältlich auf der CD Karel Řičánek: Ensemblemusik (Wheel Records 5313-2)

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