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Nachwort des Autors zur Komposition
"DIE SIEBEN TODSÜNDEN"

 

Die Todsünde ist laut diverser Definitionen im neuesten katholischen Katechismus ein vorsätzliches und böswilliges Vergehen gegen die Zehn Gebote. Sie soll mehr oder minder schwer (tödlich?!) sein (das Stehlen sei minder schwer als das Töten, ein Vergehen gegen die Eltern weitaus schwerer als das gegen einen Fremden [!!]) und besonders dann, wenn man sie nicht bereut, wird sie postmortal mit dem ewigen Höllenfeuer bestraft.

Abgesehen davon, dass man sich die Flammenandrohung bei den alten Ägyptern "geliehen" hat, deren - der himmlischen Freuden unwürdige - Tote in einen Feuersee eingehen mussten, scheint mir der Gedanke an einen Gott, der uns mit dem "freien Willen" ausstattet, um uns dann für seine Verwendung bestrafen zu wollen, ziemlich absurd. Er erinnert mich an die noch gar nicht so weit zurückliegende Praxis der kommunistischen Behörden, die zwar manch einem Bürger den Reisepass ausgestellt haben, ihn aber mitnichten dorthin reisen ließen, wohin er wollte: Der überaus ansteckende Virus der relativen Freiheit lauerte nämlich fast an jeder Ecke. Die höchste göttliche Autorität soll uns also auffordern: "Du hast den freien Willen, alles zu tun, aber wehe dir, du tust das!" Oh nein, das sagt keine himmlische Autorität. Das haben sich macht- und geldgierige Kirchenmänner ausgedacht!

Die Liebe, und besonders die Liebe des Gütigsten, des uns angeblich so aufopferungsvoll liebenden Vaters im Himmel, mit den Gedanken an (tödliche!) Strafen zu verbinden, das ist für mich geradezu pervers (und bezeugt die enge geistige Verwandtschaft des Katholizismus mit dem Glauben der Juden: Jahve war eine rachsüchtige, ja geradezu blutrünstige Gottheit!). Denn ich habe auch eine Tochter, die ich liebe. Und das Bedürfnis, sie für was auch immer bestrafen zu wollen, habe ich noch nie verspürt. Warum auch? Wenn ich einmal meinen sollte, sie tut etwas Unrichtiges, dann werde ich versuchen, sie auf die möglichen Folgen hinzuweisen. Wenn sie aber meint, sie will eine solche, wenn auch vielleicht zweifelhafte Erfahrung durchmachen, werde ich ihr viel Glück wünschen - und nicht vor ihr wild mit einer teuflischen Mistgabel herumfuchteln! (Für Verfehlungen gegen den sozialen Konsens und seine Gesetzgebung ist ja die irdische Gerichtsbarkeit zuständig.)

Der Begriff der Todsünde, ja der Sünde überhaupt, ist für mich also ein historisches Requisit, das ich, um die nur zu oft grausamsten Folgen dieser menschlichen Gedankenkonstruktion wissend, allenfalls mit einer etwas traurigen Ironie betrachten kann. Den Maler Tomáš Vincenec inspirierten die Schilderungen in Dantes "Göttlicher Komödie" zu seinem Bilderzyklus; die Betrachtung dieser kräftigen, ausdrucksstarken Gemälde veranlasste mich zu dem Entschluss, mich musikalisch mit dem Thema der Todsünden auseinander zu setzen. (Es ist auffallend - und war nicht anders zu erwarten -, dass die Todsünden aus Dante Alighieris Zeit, also um das Jahr 1300, heute landläufig begangen werden und im allgemeinen [Un]Bewusstsein nicht einmal mehr den Mindestmakel eines Kavaliersdelikts auszuweisen vermögen: Wer wüsste heute noch, dass Neid, Unmäßigkeit, Unkeuschheit, Geiz oder Stolz direkt ins ewige Feuer führten? Wer lachte - vielleicht etwas verlegen - nicht darüber?)

Die Vertonung von einem Bilderzyklus: Da kommt einem natürlich sofort Gevatter Mussorgskij "hoch", mit seinen "Bildern einer Ausstellung". Ich erwog also zunächst, die einzelnen Kompositionsteile (wie er) ebenfalls mit einem Motiv miteinander zu verbinden:

Notenbeispiel

Dieses Motiv setzt sich zusammen aus den musikalisch verwendbaren Buchstaben der tschechischen Worte "SEDm HříCHů" (Sieben Sünden); fürs achtmalige Wiederholen (in sechs Zwischenspielen, in der Introduktion und am Ende der Komposition) war es mir aber etwas zu "eintönig" - die Zwischenspiele fielen also weg. Die "Eingebungen" meiner Inspiration, die ich sonst völlig frei walten ließ, überraschten mich dann doch ein wenig: DER STOLZ zum Beispiel, dieser um Großartigkeit ringende, launige Marsch eines hinkenden (und oft fallenden) Kriegsveteranen mit einem Holzbein, ist musikalisch überaus verwandt mit dem ersten Satz meiner Kassation für fünf Bläser, Klavier und Streicher, dem ich schon mal den Untertitel Furiant junger Kapitalisten hinzufügen wollte. DIE UNKEUSCHHEIT dagegen ist beinahe wie Das Gebet einer Jungfer "ausgefallen" - und steigert sich zu einer fast "Tristan"-haften, sehnsüchtigen Leidenschaft. Tja, unerforschlich sind die Ratschlüsse des Herrn, dieser reichlichsten Quelle aller Inspiration, nicht wahr? Wahrscheinlich will er alsbald im ewigen Feuer auch mich brutzeln sehen!

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