Guten Abend, meine Damen und Herren, verehrte Gäste, liebe Freunde, ich bin Karel Řičánek und ich begrüße sie alle ganz herzlich zu der heutigen Veranstaltung. Pasing feiert in diesem Jahr das hundertjährige Jubiläum der Erhebung zur Stadt. Das ist auch für mich, eine sonst eher rampenlichtscheue Gestalt, Grund genug, meinen relativ sicheren und ungestörten Arbeitskeller einmal zu verlassen, die Wonnen meiner unscheinbaren Existenz für einige Stunden zu unterbrechen, um mich und vor allem die Ergebnisse meiner Arbeit der Pasinger Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Leitung der Pasinger Fabrik unterstützte mich bei meinem Vorhaben nach Kräften, wofür ich mich herzlich bedanken möchte. Und mein Dank geht auch an alle im Programmheft angeführten Sponsoren, ohne deren finanzielle Unterstützung wir doch einige Schwierigkeiten gehabt hätten mit der Durchführung des heutigen Abends.
Es ist mir ein Herzensanliegen, einige Sätze zu Pasing zu sagen. Ich bin zwar, wie heute sicher recht viele Münchner, bloß ein "Zuagroaßter", aber nachdem ich bereits länger als 33 Jahre in Pasing lebe und arbeite, habe ich schon das Gefühl, so etwas wie ein "Pasinger Urgestein" zu sein. Ich fühle mich hier sehr wohl und bin dankbar, hier leben zu dürfen. Pasing bietet nämlich die Geborgenheit einer recht übersichtlichen, aufgeweckten, dorfähnlichen Gemeinde, verbunden mit der unmittelbaren Nachbarschaft zu einer recht liebenswerten Großstadt. Und München ist liebenswert, solange es nicht zu viele von diesen hässlichen Wolkenkratzern abbekommt! -
Ich nehme nicht ohne Grund an, dass einige Menschen hier im Saal nicht die leiseste Ahnung haben, wer ich bin, was ich mache und warum ich es mache. Also, ich gestehe ohne Umschweife oder gar peinlicher Befragung, der heute bereits recht seltenen und wahrscheinlich im Aussterben befindlichen Gattung der Komponisten anzugehören. Die soziale Wertschätzung dieses Berufsstandes ist heute, verglichen mit dem Zustand vor hundert, hundertzwanzig Jahren, relativ gering. Man wundert sich eigentlich nur noch, dass jemand diesen Beruf ergreifen kann, hat aber gleichzeitig im Hinterkopf auch so etwas wie eine schwer begründbare Ehrfurcht. Denn dieser Beethoven und Brahms und Dieter Bohlen - das sind doch auch alles Komponisten, nicht wahr? Und wie man so hört, sind die sogar ziemlich bekannt! Tja, kann denn aber ein "normaler" Komponist heute noch irgendwie davon leben, dass er ernsthaft Noten schreibt? Nein, eigentlich nicht. Dieter Bohlen lebt freilich im Rahmen seines geistigen Horizonts ganz ausgezeichnet von der tüchtigen Beschäftigung mit Schallaufzeichnungen seiner Titel, solange die Gemahlin auch weiterhin brav beim Aldi einkaufen geht. Da könnten die vorsichtig geschätzten hundertfünfzig Millionen auf seinem Konto noch ein paar Wochen reichen. Doch Bohlens Tonträger sind vom Vorsatz her reinste Umsatzträger. Und diese Sparte interessiert mich heute Abend überhaupt nicht, auch wenn ich mich selber mit der kommerziellen Musik mehr als zwanzig Jahre lang recht üppig ernähren durfte. Die Unterhaltungsindustrie belohnt ihre fähigen Mitarbeiter an der Aufrechterhaltung der globalen Anästhesie, wie manche Kulturphilosophen die Spaßsucht zu nennen pflegen, relativ ordentlich. Und vor Ihnen steht, meine Damen und Herren, der leibhaftige Komponist von derartigen Perlen der Schlagermusik wie der einmal von der Gruppe Relax gesungenen bayerischen Hymne aller Verliebten [ansingen:] "Für di ziag i mei Hemmed aus, und gib den letzten Pfennig'n aus, weil i di mog", des großen Hits des Lokalmatadors Bernie Paul [ansingen:] "You've tryed to call me, to see me last night, oh no no!" oder des größten Hits vom blondgefärbten Dauerwellenkräusling Bernhard Brink, [ansingen:] "Deine Augen glüh'n wie Feuer, wie du gehst ein Abenteuer, ein Wunder, ein blondes Wunder"! Vor Ihnen steht ein Mann, der insgesamt rund zweihundert Pop- und Schlagertitel komponierte, weitere fünfhundert arrangierte und damit einigen Kollegen, die sich stolz Komponisten nennen, ohne auch nur eine Achtelpause aufschreiben zu können, zu einem ansehnlichen Vermögen verhalf, für seine Tätigkeit insgesamt vier Goldene Langspielplatten in Empfang nehmen durfte - und darüber hinaus auch noch der Autor von rund dreißig Kompositionen der sogenannten ernsten Musik für verschiedenste Besetzungen ist. Die Bezeichnung "ernste Musik" lehne ich zwar ab, denn meine Musik kann, wie Sie gleich hören werden, auch ironisch, übermütig, lustig oder heiter sein, aber wir können uns sicher auf der Bezeichnung "artifizielle Musik" oder noch besser "Kunstmusik" problemlos einigen. Seit fünfzehn Jahren schreibe ich nun mit zunehmender Intensität diese Musik und mein Spektrum auf diesem Gebiet ist ziemlich breit gefächert. Von diversen Kompositionen für Soloinstrumente über Duos bis hin zur Musik für kleinere Ensembles von vier bis fünfzehn Musikern und darüber hinaus auch bis in die Höhen einer Symphonie oder eines Oratoriums reicht das Repertoire. Und es ist diese Musik, die mich heute Abend interessiert. Bei der Präsentation auch dieser, vom Vorsatz her rein unkommerziellen Musik spielt freilich die Ökonomie doch eine gewisse Rolle (mit manchen seiner Ansichten hatte Gevatter Marx nicht ganz Unrecht!): So leid es mir tut, auf dieser Bühne hätten die knapp siebzig Mann, die zur Aufführung meiner ersten Symphonie nötig sind, nicht genügend Platz. Und für ihr Honorar könnte man wahrscheinlich die ganze Pasinger Fabrik für ein paar Monate pachten. So bin ich sehr glücklich, dass das heutige Konzertetat dazu reicht, meine Musik von vier ausgezeichneten tschechischen Instrumentalistinnen spielen zu lassen. Die strukturelle Qualität der Musik ist selten von der Masse der Aufführenden abhängig!
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